Ich bin 1995 in einer kleinen Stadt im Sauerland geboren, aber eigentlich begann meine
Geschichte schon vor der Geburt. In der Gebärmutter hatten sich so genannte amniotische Bänder gelöst und um mein Bein und meine Hände gewickelt. Auch eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist dadurch entstanden. Meine ersten Lebensmonate musste ich deshalb im Krankenhaus verbringen und auch während meiner Kindheit und Jugend wurde ich immer wieder operiert.
Meine Finger wurden voneinander getrennt und so verlängert, damit ich alles mit ihnen machen kann. Trotzdem haben mich als Teenager vor allem die Narben gestört und die Tatsache, dass ich nur drei Nägel habe. Ich war immer neidisch auf die lackierten Nägel meiner Freundinnen und dachte, dass ich selbst das nie könnte, denn es würde zu viel Aufmerksamkeit auf meine Finger lenken. Heute lackiere ich mir gern die Nägel und bezahle im Nagelstudio nur ein Drittel von dem, was andere bezahlen. :)
Durch die Abschnürungen ist mein linkes Bein deutlich langsamer gewachsen als das rechte, bis es mit sechzehn ganze sieben Zentimeter kürzer war. Ich beschloss, es verlängern zu lassen, was aus medizinischer Sicht besonders für meine Rücken eine Entlastung war, mir ging es vor allem darum endlich ganz normale Schuhe ohne die lästige Absatzerhöhung tragen zu können. Zwei Sommer habe ich dafür im Krankenhaus verbracht.
Nach dem Abitur hatte ich dann einen sehr großen Nachholbedarf und bin für zwei Jahre nach Schottland gezogen, wo ich in einer Community für Menschen mit geistiger Behinderung gelebt und gearbeitet habe. Im Anschluss daran bin ich noch ein halbes Jahr als Au Pair Mädchen nach Florenz gezogen.
Das Reisen hat mir sehr viel Selbstbewusstsein gegeben, weil ich gemerkt habe, dass ich überall ankommen kann und Menschen finde, die mich so nehmen, wie ich bin.
Durch das Reisen auf den Geschmack gekommen, habe ich mich für einen Bachelor der Europastudien entschieden und während eines Aufenthaltes in Frankreich meinen Freund kennengelernt. Nach meinem Master "deutsch-französische Beziehungen" habe ich zunächst als Deutschlehrerin an einem französischen Gymnasium unterrichtet und lebe mittlerweile seit einem Jahr mit meinem Partner in Aix-en-Provence, wo ich in einem Museum arbeite.
In den letzten Jahren habe ich gelernt, selbstbewusst mit meiner Behinderung umzugehen, stoße aber auch immer wieder an meine Grenzen. In Südfrankreich ist es sehr heiß, trotzdem traue ich mich selten in kurzer Hose oder kurzen Kleid nach draußen. Davon bin ich mittlerweile selbst so genervt, dass ich begonnen habe, mich wieder mehr mit dem Thema Gliedmassenunterschiede auseinanderzusetzten.
Besonders geholfen haben mir dabei Beiträge von "Inkluenzern" mit Gliedmassen-unterschieden, von denen es im deutschsprachigen Raum meiner Meinung nach noch viel zu wenig gibt. Auch stößt man noch häufig auf eine eher abwertende Sprache, immer wieder begegnen mir Ärzte, die von „Deformierungen“ oder „Hasenscharte“, sprechen, was bei mir lange Grund für eine eher schambehaftete Beziehung zu meiner Behinderung war.
Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich Handtastic entdeckt habe. Es gibt sicherlich noch viel zu tun auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft, aber ich bin stolz darauf, ihn mit euch zusammen zu gehen.
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